Bis zum 17.12.2021 ist die EU-Richtlinie 2019/1937, die sog. Whistleblower-Richtlinie, in deutsches Recht umzusetzen. Unabhängig davon, ob diese zeitliche EU-Vorgabe in Deutschland gehalten wird, bestehen in Unternehmen teilweise erhebliche Bedenken gegen eine Einführung eines Hinweisgebersystems. Sind diese Zweifel berechtigt? Woher rühren diese Bedenken? Warum sträuben sich Unternehmen? Diese Fragen schauen wir uns in unserem Blog-Beitrag an.
Whistleblowing ist in Deutschland verpönt
Dazu ist es zunächst erforderlich, einen kurzen Blick in die deutsche Geschichte zu nehmen. Historische Begebenheiten, wie eine Gestapo während des Nationalsozialismus oder auch ein Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in der DDR haben systematische Spitzelsysteme eingerichtet und das Abhören und Ausspähen von Bürgern mit z.T. drastischen Mitteln perfektioniert. Auch das „Verpfeifen“ oder „Anschwärzen“ persönlich unliebsamer Mitmenschen war in diesen Systemen tägliche Übung.
Zu dieser Praxis gehörte auch, dass bei derartigen „Meldungen“ oftmals objektive Fakten durch persönliche Vermutungen, Anschuldigungen oder einfach auch nur Lügen ersetzt wurden und somit Menschen vielfach zu Unrecht in Misskredit gerieten.
Dieses historische, landläufige Denunziantentum hat zu zwei wesentlichen aktuellen Haltungen beigetragen:
- Hinweisgeber werden gedanklich schnell in die Ecke der „Nestbeschmutzer“ oder des „Spitzels“ gestellt und als unkollegial abgestempelt und
- Unternehmer befürchten eine Kultur des gegenseitigen Misstrauens in ihren Betrieben.
Bestehen diese Bedenken zurecht? An dieser Stelle wird es Zeit, einmal mit diesen Vorurteilen aufzuräumen.
Hinweisgeber sind keine „Spitzel“ oder „Nestbeschmutzer“
Eines muss gleich vorweg genommen werden: Hinweisgeber sind nicht im Auftrag der Unternehmensleitung unterwegs und „verpfeifen“ Kollegen/-innen! Ein Hinweisgeber handelt immer aus einer Eigeninitiative heraus und gibt einen Hinweis auf einen innerbetrieblichen Missstand. Diese Missstände können dabei durchaus unterschiedlichster Natur sein: angefangen z.B. von Diebstählen im Lager, über Manipulationen bei Arbeitszeiten, bis hin zu Fehlverhalten von Führungskräften und Mitgliedern der Geschäftsleitung.
Warum wird man also zu einem Hinweisgeber? Definitiv nicht, um einen Kollegen/eine Kollegin „anzuschwärzen“. Es fällt einem Hinweisgeber auch nicht spontan ein, heute einmal einen Hinweis abzusetzen. Dies ist vielmehr ein gedanklicher Entwicklungsprozess, der sich über mehrere Wochen oder Monate hinwegzieht und rührt daher, dass sich ein Hinweisgeber mit einem betrieblichen Umstand zunehmend nicht mehr identifizieren kann.
Aber, was heißt das jetzt für das Unternehmen? Ein Dilemma?
Das schauen wir uns im nächsten Teil unseres Blogs an…